Vechta. Blitzartig schnellen die Finger in die Höhe. Von dem zögerlichen Verhalten zu Anfang der Sitzung war nichts mehr zu erkennen, als die Schüler über den Bau einer Kletterhalle in Oythe diskutierten. Alle möchten sich zu dem Antrag äußern, über den sie zu entscheiden hatten. Die Vorsitzende musste gut aufpassen, alle im Blick zu behalten.
Eine angebliche Politikverdrossenheit der Jugend wird immer beklagt. Die jungen Menschen würden einfach kein Interesse haben sich zu beteiligen, wird oft hervorgebracht. Anders sahen dies die Stadtverwaltung und das Kolleg St. Thomas (KST) in Vechta. Im Rahmen des Projekts „Schule.Macht.Politik“ sollten Schüler der 8. Klassenstufe des KST ihre eigene fiktive Ratssitzung organisieren und haben diess am 6. März durchgeführt.
Auch die Geschwister-Scholl-Oberschule (GSO) nahm an dem Projekt teil, welches einen möglichen Schritt in die reale Politik erleichtern soll. „Ich würde mich freuen, wenn ihr in ein paar Jahren selbst den Schritt in die Kommunalpolitik wagt“, sagte Bürgermeister Kristian Kater zu den Jugendlichen. Politiklehrer Frank Hölzen sowie seine Kolleginnen und Kollegen am KST sowie Politiklehrerin Hülya Toka (GSO) hatten das Projekt im Unterricht geleitet. Sie haben den Jugendlichen Grundlagen vermittelt, mit ihnen Ideen entwickelt und bei der Vorbereitung geholfen.
Die fiktive Sitzung ähnelt dem Original in vielerlei Hinsicht. Die verschiedenen Klassen hatten sich in Fraktionen aufgeteilt, die ebenfalls im Vechtaer Stadtrat vertreten sind. Anträge wurden eingereicht, welche innerhalb der Sitzung kontrovers diskutiert wurden. Die Schüler, die gerade nicht an den Abstimmungen teilnahmen, konnten in der Einwohnerfragestunde den Bürgermeister befragen. Die Stadtratsvorsitzende Simone Göhner leitete die Sitzung, während weitere Ratsmitglieder aus den Fraktionen als Sachverständige ausholfen.
Vor allem im Freizeitbereich wollten die Schülerfraktionen einiges in Vechta verändern. So stimmten diese im Verlauf der Sitzung für die Errichtung einer LaserTag-Halle, einer Schwarzlichtgolfanlage, eines Mountainbike- und Skaterparks und ähnlicher Vorhaben. Während sich die Schüler des KST zu Anfang noch etwas zurückhaltend gezeigten, wurden die Wortbeiträge und Nachfragen im Laufe der Sitzung immer zahlreicher und kritischer. Die Antragstellenden mussten Erklärungen abgeben zu Themen wie Kosten, Umweltfreundlichkeit, Nutzen und Barrierefreiheit.
Dabei zeigte sich auch, wie umfangreich die Schüler sich bei den Mitarbeitern der Verwaltung informiert hatten. So konnte Jonas Barthel genau angeben, nach wie vielen Jahren sich die Investition in eine Photovoltaikanlage auf dem Dach der Schwarzlichtgolfanlage rentieren würde. Als Vorbereitung hatten sich die Schüler in Ausschusssitzungen mit Hilfe von Ratsmitgliedern in der Schule vorberaten und eine Rallye durch das Rathaus durchgeführt.
Wie ausgewechselt wirkten die Schüler des KST bei der Diskussion um den Bau einer Kletterhalle in Oythe. Ob sich so etwas überhaupt lohnen würde, wurde dabei kritisch nachgefragt. Schließlich gebe es bereits einen Kletterwald in Thüle. Elisabeth Wichmann verteidigt den Antrag gegen die zahlreichen Einwände. Die Kletterhalle könne ebenfalls von den Sportvereinen mitgenutzt werden, die momentan oft keinen Platz finden würden. Zudem müsse es im Ortsteil mehr Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung geben. „Oythe hat nicht viel zu bieten. Oythe ist nur ein großes Wohngebiet“, betont sie.
Am Ende der Sitzung wurden alle Anträge angenommen. Wer das Aufblühen der Schüler im Laufe der Sitzung mitverfolgt hat, mag sich fragen: Ist die Jugend wirklich politikverdrossen oder müssen die Erwachsenen sie einfach besser heranführen? In diesem Fall scheint Letzteres zumindest geglückt zu sein.