pm Oldenburg/Wehnen. Aufregung bei den Ferkeln in der Versuchsstation für Schweinehaltung in Wehnen (Bad Zwischenahn/ Kreis Ammerland): Dem einen ist so eine Fotokamera noch etwas suspekt, der andere nähert sich dagegen mit einem Mix aus Neugier, Vorsicht und schnupperndem Rüssel dem kleinen schwarzen Kasten. Nebenher wird außerdem noch der ein oder andere Rangkampf mit den neuen Mitbewohnern ausgefochten.
Die Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) hat kürzlich erstmals 120 vier Wochen alte Absetzferkel im vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Verbundprojekt „DigiSchwein” eingestallt. Rund 5,5 Wochen werden die Tiere in der neuen Ferkelaufzucht verbringen, ehe sie mit 25 kg in eines der beiden benachbarten DigiSchwein-Mastabteile umziehen. Dort ist mittlerweile der zweite Mastdurchgang gestartet: Die etwa 2,5 Monate alten Tiere bleiben für weitere drei Monate.
„DigiSchwein”: Das ist eine passgenaue Farmmanagement-Software, die schweinehaltende Betriebe künftig dabei unterstützen wird, Veränderungen im Bestand deutlich früher zu erkennen und damit das Wohlbefinden von Sauen, Ferkeln und Mastschweinen nachhaltig zu verbessern. Das Frühwarnsystem soll Tierhaltende zum Beispiel in die Lage versetzen, schneller auf Krankheiten, auf aggressives Verhalten sowie auf bevorstehende Geburten zu reagieren. Die digitale Anwendung soll außerdem die Betriebsmitteleffizienz steigern und die Umwelt durch Nährstoffreduktion schonen helfen.
Welche Sensoren dazu im Betrieb einzubauen sind, welche Daten gesammelt werden und wie diese ausgewertet und in der Software eingesetzt werden müssen, will die LWK in ihrer Versuchsstation für Schweinehaltung in Wehnen zusammen mit zahlreichen Projektpartnern aus Wissenschaft und Wirtschaft klären.
„Übergeordnet geht es uns um die Weiterentwicklung der tiergerechten und ressourcenschonenden Schweinehaltung mit Hilfe digitaler Ansätze“, sagt Dr. Marc-Alexander Lieboldt, Koordinator des Experimentierfelds DigiSchwein, „ein großer Teil des Projektes umfasst hierbei die Verhaltens- und Gesundheitsüberwachung der Tiere mittels Kamera- und Mikrofontechnik.“ Projektmitarbeiterin Lena Münzebrock erklärt: „Über jeder Bucht hängt mittig eine Sensoreinheit, die detailliert das Stallklima überwacht. So haben wir neben der Temperatur und Luftfeuchtigkeit auch stets die Lichtintensität sowie die Schadgase CO2 und Ammoniak im Blick.“ In jeder Bucht gibt es außerdem vor den Tränken zwei Messstationen, welche die Ferkel über die Ohrmarke individuell erkennen und gleichzeitig das Körpergewicht des Tieres mittels 3D-Kameras bestimmen. Anhand von Durchflusssensoren in den Tränkeleitungen weiß das Projektteam, welches Ferkel wieviel Wasser verbraucht hat.
All diese Infos kommen gemeinsam mit Daten zu den Nährstoffgehalten der Futtermittel, der Gülle und der Abluft nicht nur den Schweinen, sondern auch der Umwelt zugute. „Die Digitalisierung kann durch automatisierte Erfassung und Dokumentation helfen, die innerbetrieblichen Nährstoffströme in der Schweinehaltung transparenter und effizienter zu gestalten“, so Gerold Tammen, Projektmitarbeiter im LWK-Fachbereich Energie, Bauen, Technik.
Zur zusätzlichen Beschäftigung der Langschwanz-Ferkel fallen viermal pro Tag in jeder Bucht Luzernepellets aus einem Rohr auf eine Kunststoffmatte. „Heute, am allerersten Tag in der neuen Umgebung, erschrecken sich die Ferkel darüber noch etwas – aber sie gewöhnen sich schnell daran und beginnen interessiert, in dem Material zu wühlen“, weiß Lena Münzebrock.