Von Gaby Westerkamp
Cloppenburg/Harpstedt
Die DJs hatten alles drauf, was die jugendlichen Gäste der Generation Golf musikalisch begehrten: Da wurde mit ZZ Top gerockt, zu Modern Talking Disco Fox getanzt, ABBA’s Dancing Queen mitgesungen oder spät in der Nacht zu Chris de Burgh „geschwoft”. Wer in den 1980er seine Teenagerzeit erlebt hat, wird sich ganz bestimmt an unvergessliche Party-Nächte mit Fanta, „KöPi” oder „Charly für ’ne Mark” in der Dorfdisko erinnern. So ging es auf jeden Fall vielen der rund 120 geladenen Gäste, die heute (16. Juli 2021) mit dem Cloppenburger Museumsdorf die Eröffnung der dort wieder aufgebauten Harpstedter Landdiskothek „Zum Sonnenstein” feierten.
Diese war seit 2016 am alten Standort fein säuberlich zersägt und auf Tiefladern nach Cloppenburg transportiert worden, sämtliches Inventar wurde in Kisten verpackt, die alten LP’s fachkundig gereinigt. Auf einer Teilfläche des Museumsdorf-Parkplatzes wurde in jahrelanger Arbeit das Puzzle wieder zusammengesetzt, das nun die Museumsbesucher zwar nicht mehr zu durchzechten Nächten, aber zu einer spannenden Zeitreise einlädt. Drinnen sieht alles genauso aus wie früher, die Musik vom Original-Plattenteller klingt wie zu Zeiten von „DJ Potter” & Co, eigens entwickelte Akustik-Installationen lassen die Besucher beim Theken-Flirt mitlauschen und man meint sogar das Aroma von damals wieder in der Nase zu spüren. Wen es in den Füßen juckt, darf gern noch mal die Tanzfläche erobern. Nur die Zigarettenqualm-Wolken, die um die rotierende Spiegelkugel waberten und sich fast bis auf die Vokuhila-Frisuren des Tanzvolks senkten, auf die muss das Publikum von heute verzichten.
Gastgeber und Musik-Jongleure von damals kamen im Rahmen der Eröffnungsfeier ebenso zu Wort wie die wissenschaftlichen Begleiter. Der Bremer Schauspieler und Radio-Moderator Dirk Böhling führte launig und flott durch ein abwechslungsreiches Programm. Er interviewte Niedersachsens Kultusminister Björn Thümler direkt auf der Tanzfläche, schwelgte mit den früheren Disko-Wirten Gunda und Klaus Sengstake in Erinnerungen, ließ ihre DJs aus dem Nähkästchen plaudern und testete bei einem Hör-Quiz die 80er-Kompetenz der Bundestagsabgeordneten Sylvia Breher und anderer Förderer – die Titelmusik von „Dallas” war dabei ebenso schnell erkannt wie das mit seriös-gedämpfter Stimme kommentierte Ereignis um ein spektakuläres Kleid: „Das ist Dianas Hochzeit”, wusste die Rate-Crew. Und ja, Charles war auch dabei. Und die Schleppe der Braut sieben Meter lang. Das war die eigentliche Frage.
Museums-Direktorin Julia Schulte to Bühne dankte allen Mitarbeitern, Unterstützern und Sponsoren für ihr Engagement, das diese europaweit einzigartige Umzugsaktion einer ganzen historischen Diskothek erst möglich gemacht hatte. Aber auch das Team des Museumsdorfes hatte Blumen für die Chefin dabei: Denn ohne sie wäre aus dem ehrgeizigen Projekt wohl auch nichts geworden.
Tipp für alle, die mehr über den „Sonnenstein” und seine ganz besondere Geschichte wissen möchten: Unter https://museumsdorf.de/besuch/eine-disco-kommt-ins-museum/ gibt es jede Menge spannende Infos, Geschichten und Bilder zum Disko-Umzug.
• Wie war das damals mittendrin im ”Stein”? Redakteur Thomas Kaiser erinnert sich gut an die vielen Wochenenden in der Harpstedter Dorfdisco. Hier geht’s zu seinem „Augenzeugenbericht”.
Historie kompakt:
1874 Gebäude als Scheune gebaut
1950er Jahre: Treffpunkt zum alljährlichen Schützenfesttanz.
1959 Eröffnung als Gesellschaftshaus „Zum Sonnenstein” mit Livemusik und Sängerwettstreit
1973 Gunda und Klaus Sengstake eröffnen ihre Landdisko im „Stein”
1979 bis 1985 Einbau von neuen Theken und beleuchteter Tanzfläche
2008 Jubiläum 35 Jahre Diskothek „Zum Sonnenstein”. Danach mehrfacher Verkauf.
2014 Schließung und Abbruch-Planungen. Dann aber kaufte das Museumsdorf das Objekt mit allem Drum und Dran
Sommer 2016: Planungen zur Umsetzung des „Sonnensteins“ laufen an
August 2018: Mit dem Abbau der ersten Dachziegel beginnt das Zerlegen der kompletten Immobilie, die dann in Einzelteilpaketen nach Cloppenburg gebracht und dort, komplett und originalgetreu bis ins letzte Deko-Detail aus den 1980er-Jahren, wieder aufgebaut wird.
16. Juli 2021: Eröffnung der Diskothek als museales Erlebnis-Objekt zum Start der neu entstehenden Baugruppe zum Thema „Nachkriegszeit bis 1990” – einzigartig in der europäischen Museumslandschaft.
19. Juli 2021: Publikums-Freigabe für alle Museums-Besucher