„Wir wollen und müssen gemeinsam erinnern, wachrufen, bewusst machen. Mit dem Ziel, dass dieser Schrecken sich nicht wiederholt“, warb Cloppenburgs Bürgermeister Neidhard Varnhorn für mehr Menschlichkeit, Toleranz und Respekt.

ah Cloppenburg. Zum Gedenken an die Opfer des Terrorregimes hatte die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in das Cloppenburger Rathaus eingeladen. Im Mittelpunkt der Gedenkfeier standen die „Lübecker Märtyrer“, vier Geistliche, die nach einer Denunziation im Juni 1943 vom Volksgerichtshof wegen Wehrkraftzersetzung zum Tode verurteilt wurden. Bei den Hingerichteten handelt es sich um die drei katholischen Geistlichen Johannes Prassek, Eduard Möller, Hermann Lange sowie den evangelischen Pastor Karl Friedrich Stellbrink.

Bewegend und sehr emotional, als in einem Filmbeitrag ihre letzten Gedanken, die sie schriftlich festhielten, vorgelesen wurden. Am 13. November wurden sie in der Hamburger Untersuchungsanstalt am Holstenglacis im Abstand von jeweils nur drei Minuten durch die Guillotine enthauptet. Für alle 70 Besucher der Gedenkfeier fast unvorstellbar, als der Hobby-Historiker Klaus Deuz erklärte, wer hinter der Denunziation stand. Ein Gestapo-Mann, der sich als vermeintlicher Konvertit ausgab und an den Gesprächsabenden und Diskussionen im Pfarrhaus teilnahm.

Beeinflusst durch die Predigten von Kardinal Clemens August Graf von Galen gegen Ungerechtigkeit und Euthanasie schrieben die vier Lübecker die mutigen Predigten des Bischofs ab und verbreiteten sie. Sie wurden in ganz Deutschland vervielfältigt und heimlich weitergegeben. Die vier Geistlichen taten dieses in dem Bewusstsein, wie gefährlich es war. Sie empfanden wie viele andere das Befreiende dieser Predigten, die das Schweigen brachen und laut aussprachen, was viele insgeheim dachten, als die Aktion zur Vernichtung „lebensunwerten Lebens“ anlief, die Ermordung von unschuldigen Geisteskranken.

Als vermeintlicher Konvertit hinterging der Gestapo-Mann die Geistlichen, befragte sie zu politisch brisanten Themen und notierte heimlich ihre Antworten, die sich später in der Anklageschrift wieder fanden. Dieser Gestapo-Mann kam aus Cloppenburg und wohnte in der Molberger Straße 1. Sein Name: Hans Lüers.

Nur Wissen schützt gegen Vorurteile“ zitierte Cloppenburgs Bürgermeister Neidhard Varnhorn bei seiner Begrüßung den letzten Oldenburger Landesrabiner, Prof. Dr. Leo Trepp. Aus Anlass des 140. Jahrestages der Einweihung der Cloppenburger Synagoge mahnte er bei seinem Besuch in Cloppenburg zum Berichten, zum Aufklären und zum Gedenken der von den Nazis begangenen Gräueltaten.

Bürgermeister Varnhorn erinnerte an elf Cloppenburger Familien, die von den Nazi-Schergen durch die Lange Straße gehetzt wurden und die meisten von ihnen in den Konzentrationslagern den Tod fanden. „Es darf nie wieder passieren“, forderte Varnhorn und stellte gleichzeitig die Frage „Aber sind wir noch scharfkantig genug gegen rechte Tendenzen?“ Aktuell sei ein Wieder-Erstarken des überwundenen Glaubensguts in Deutschland zu beobachten: Antisemitismus und Ablehnung Anders-Denkender und -Lebender.

Es sei unser aller Aufgabe, durch das Vorleben einer klaren humanistischen Halterung mit Bildungs-Engagement und Aufklärungsarbeit dagegen anzusteuern „In Cloppenburg soll es freundlich, respektvoll und bunt sein. Eben lebenswert für alle! Das Gedenken heute ist ein Baustein dafür“, betonte der Bürgermeister.

„Ich bin Karl Sieverding und der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit dankbar, dass hier im Rathaus der Stadt Cloppenburg „Die Lübecker Märtyrer“ in den Blickpunkt der Gedenkfeier gerückt werden und diesen vier eine Würdigung zukommt“, dankte Klaus Deux dem Vorsitzenden des Vereins, Karl Sieverding.

Der Gedenkfeier eine besinnliche Ausstrahlung gab die Gesangsgruppe St. Andreaschor unter der Leitung von Karsten Klinker. Unter anderem mit dem Lied „Von guten Mächten“, einem geistlichem Gedicht des evangelischen Theologen und NS-Widerstandskämpfers Dietrich Bonhoeffer, der im Alter von 39 Jahren am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg bei Regensburg hingerichtet wurde.